Projekt und Hintergründe

Einleitung

Individuelle Personen und deren Nachlässe zum Ausgangspunkt für ein neues Nachdenken über (Theater)Geschichte zu nehmen, war der Leitgedanken des Projekts. Im Fokus des theaterhistorischen Interesses stand die Untersuchung der Personennetzwerke, die sich aus einer – aus systematischer Perspektive vermeintlich zufälligen – Ordnung von Personennachlässen herauslesen lassen. Zentraler Bestandteil war die Entwicklung eines Datenmodells, das sich nicht nur für die projektspezifische Erforschung als produktiv und praktikabel erwiesen hat, sondern auch perspektivisch für zukünftige Fragen der Datenmodellierung im Kontext theaterwissenschaftlicher Fragestellungen vielfältig anschlussfähig ist. Im Projekt wurde ein Verfahren entwickelt, das die Erschließung theaterhistorischer Archivalia auf der Basis internationaler Standards und unter Einbindung von Normdaten und kontrollierten Vokabularen ermöglicht.

Das Projekt hat sich zum einen der Frage gewidmet, wie die besondere materielle Vielfalt theaterhistorischer Objekte im Zuge der digitalen Erschließung und Datenmodellierung berücksichtigt und vermittelt werden kann. Neben Schrift- und Bildquellen umfassen theaterhistorische Archive eine Vielzahl von Objektarten, deren Materialität bei der Digitalisierung komplexe Fragen aufwirft. Zum anderen hatte das Projekt das Ziel, das Nutzungspotential der beiden Sammlungen in Forschung und Lehre durch die Entwicklung digitaler Tools (Eingabemaske, Datenbanken) zu erweitern und ein interaktives Austauschforum für Theater aufzubauen.

Datenerhebung

Die im Rahmen des Projekts prototypisch entwickelte Eingabemaske als Erschließungstool ermöglicht die Erhebung von Metadaten in einer konzeptionellen Verknüpfung von disziplinspezifischer Perspektive mit archivarischen Erschließungsstandards. Die Eingabemaske ist als Webapplikation realisiert, die keine Installation auf dem Rechner erfordert und online wie offline funktioniert. Sie leitet die Benutzer:innen durch einen Workflow der Metadatenerhebung, der aus sechs Modulen besteht: Objektidentifikation, Objektbeschreibung, Herstellung, Inszenierung/Performance, Ereignisse und Erwerb/Provenienz.

Die Module im Workflow der Eingabemaske CMDI-Maker von der Objektidentifikation bis zum XML-Output.
Die Module im Workflow der Eingabemaske CMDI-Maker von der Objektidentifikation bis zum XML-Output.

Im Bereich der standardisierten Metadaten-Erfassung wurde mit Blick auf theaterwissenschaftliche Forschungsfragen wichtige Entwicklungsarbeit geleistet, die auch für zukünftige Projekte standardbildend sein kann. Die Verwendung des Metadatenstandards LIDO (Lightweight Information Describing Objects) gewährleistet, dass bei der Datenerhebung die sozio-kulturellen Kontexte der Archivalien insbesondere mit Blick auf die eventbasierte Modellierung in ausreichender Spezifizität und semantischer Tiefe erfasst werden konnten. Die Einbindung von Normdaten aus der Gemeinsamen Normdatei (GND) und dem Art and Architecture Thesaurus (AAT) bilden die Grundlage für Interoperabilität und eine langfristige (Nach)Nutzbarkeit der Daten.

Datenpräsentation

Die Website www.recollectingtheatre.com präsentiert nicht nur die digitalisierten Objekte, sondern eröffnet auch neue Rechercheformen und Zugriffe auf digitalisiertes Archivmaterial für Lehre und Forschung. Dabei wurde Wert auf eine kuratorische Zusammenstellung gelegt, die nicht auf Vollständigkeit ausgerichtet ist. Die theaterhistorische Prämisse, die Inszenierung als Knotenpunkt des arbeitsteiligen Produktionsprozesses ‚Theater‘ zu begreifen, hat sich bewährt: Verfestigungen und Modifikationen von Theaterpraktiken lassen sich an diesen Knotenpunkten gleichermaßen ablesen. Auch erlaubt die Vielzahl unterschiedlicher Funktionen, Netzwerke und deren Veränderungen im zeitlichen Wandel und in ihrer räumlichen Ausdehnung zu untersuchen.

Hier steht zu erwarten, dass sich die Beobachtungen durch weitere Ergänzungen noch stärker verdichten lassen. Die im Projekt entstandene Plattform ist prinzipiell für weitere Sammlungsinstitutionen erweiterbar und offen für die Einbindung externer Digitalisate und Metadaten. In diesem Sinne will das Re-Collecting-Projekt als Auftakt zur stärkeren Standardisierung komplexer Forschungsdaten in der Theaterwissenschaft verstanden werden.